17.02.25
BTW 2025: Industrie und Energiepolitik im Fokus
Hamburg, 17 February (Argus) — Im Vorfeld der verfrühten Bundestagswahl am 23.
Februar sind sich die vier führenden Parteien uneins, wie die strauchelnde
Wirtschaft des Landes belebt und die Klimapolitik angesichts der anhaltend hohen
Energiekosten gestaltet werden kann. Unabhängig davon, welche Partei sich am
Ende durchsetzt: Die kommende Legislaturperiode wird sich erheblich auf die
regionalen Energiemärkte und die Rolle Deutschlands als Schlüsselakteur in der
europäischen Wirtschaft auswirken. Union, SPD und die Grünen haben neben allen
inhaltlichen Unterschieden auch viele Gemeinsamkeiten - lediglich die Haltung
der AfD zu Energie und Klimawandel stimmt weitgehend nicht mit denen der anderen
Parteien überein. Denn sie alle erkennen das Pariser Klimaabkommen und den EU
Green Deal an und verpflichten sich zur Einhaltung von
Emissionsreduktionsmandaten; und sie planen, den Anwendungsbereich des
EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS) auszuweiten. In den Wahlprogrammen der drei
Parteien wird darauf hingewiesen, dass die Energiepreise — die weithin als
Schlüsselfaktor für den Rückgang der deutschen Industrieproduktion angesehen
werden — gesenkt werden müssen, während der Übergang zu saubereren
Mobilitätsformen und der Klimaschutz Priorität haben. Doch die Parteien streiten
sich darüber, wie diese Ziele am besten erreicht werden können. Viele
energieintensive Industrien in Deutschland haben mit hohen Gaspreisen zu
kämpfen, seit Russland 2022 die Ukraine angriff. Die drei Parteien sind sich
einig, dass sie die Energiepreise senken werden, indem sie Steuern und
Subventionen anpassen und die Stromerzeugung in Deutschland ausweiten. Darüber
hinaus sollen Netzgebühren und Stromsteuern soweit gesenkt werden wie in der EU
möglich. SPD und die Grünen wollen die Europäische Kommission des Weiteren
auffordern, energieintensive Industrien für hohe Strompreise zu kompensieren.
Sowohl CDU/CSU, als auch SPD und Grüne sehen den weiteren Ausbau erneuerbarer
Energien als den besten Weg, um die Energiepreise langfristig zu senken. Aber im
Gegensatz zu SPD und den Grünen ist die Union nicht bereit, Kohlekraftwerke
ersatzlos zu schließen und sie wollen prüfen, ob es technisch und ökonomisch
machbar ist, stillgelegte Kernkraftwerke zu reaktivieren. Die AfD setzt
währenddessen voll auf Kohle- und Kernenergieerzeugung und möchte den Ausbau von
Solar- und Windenergie stoppen. Vollgas für Wasserstoff Die CDU/CSU, SPD und die
Grünen unterstützen den Ersatz von fossilem Gas durch Wasserstoff bei
Stromerzeugung und in der Produktion in naher Zukunft. Wie schnell das passieren
kann, ist noch unklar. Interessenverbände der Industrie nennen die hohen Kosten
von Wasserstoff und den sich ständig ändernden rechtlichen Rahmen als
Hindernisse für den Hochlauf. Sie fordern daher die Vereinfachung der nationalen
und EU-Wasserstoffgesetzgebung, die Fortsetzung der Subventionen für die
inländische Produktion und mehr Verbraucheranreize, um Erdgas zu ersetzen. Aber
die Union möchte auch das von der ausscheidenden Regierung eingeführte
Gebäudeenergiegesetz aufheben, welches vorschreibt, dass ab Januar 2024 in neuen
Gebäuden Heizsysteme installiert werden, die mindestens 65 % erneuerbare
Energien verwenden. Stattdessen schlägt sie vor, emissionsarme Heizlösungen zu
subventionieren — unabhängig von der Technologie, auf der sie basieren. Wenn
dies umgesetzt wird, könnte das den Rückgang der Gasnachfrage für Wohngebäude
abschwächen. Gleichzeitig könnten Gasheizungen nach der Einbeziehung des
Gebäude- und Verkehrssektors in den EU-Emissionshandel ab 2027 weniger attraktiv
werden, wenn die Gaskosten entsprechend steigen. Die CDU/CSU hat deutlich
gemacht, dass sie die Klimaabkommen von Paris und der EU weiterhin einhalten
will, sagt aber erstmals in ihrem Wahlprogramm, dass dies an die
"Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft" und "soziale Belastungsgrenzen"
geknüpft sei. Die AfD will nicht nur die Bepreisung von CO2-Emissionen komplett
beenden, sondern auch die EU-Emissionsreduktionsmandate insgesamt aufkündigen.
Entscheidend ist, dass keiner der potenziellen Koalitionspartner beabsichtigt,
den aktuellen Russland-Kurs umzukehren — im Gegensatz zur AfD, die die Aufhebung
aller Russland-Sanktionen fordert, einschließlich der Sanktionen auf Gas- und
Ölimporte in die EU. Die AfD beabsichtigt auch, die unbeschädigte Rohrleitung B
der Nord Stream 2-Pipeline wieder zu öffnen, um russische Gasflüsse nach Europa
wieder aufzunehmen, und die im September 2022 beschädigten Rohrleitungen Nord
Stream 1 und 2 zu reparieren und wieder zu öffnen. Vorsprung durch Technik? Bei
der Frage nach der Zukunft der Mobilität in Deutschland herrschen größere
Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien. Während SPD und Grüne glauben,
dass E-Mobilität am relevantesten sein wird und das Verbrennerverbot ab 2035
aufrechterhalten wollen, setzen sich Union und AfD für Technologieoffenheit ein
und wollen diese Vereinbarungen zurücknehmen. Die SPD möchte, dass Deutschland
weiterhin führend im Automobilbau bleibt, aber in Zukunft mit Fokus auf
Elektrofahrzeuge. Um die Verbraucher zum Kauf von Elektrofahrzeugen "made in
Germany" zu ermutigen, schlägt sie Steuersenkungen für inländisch hergestellte
E-Autos vor. Dies könnte eine Lehre aus den unbeabsichtigten Folgen der
allgemeinen Subvention für Elektrofahrzeuge sein, die Ende 2023 auslief — denn
von dieser haben ausländische Hersteller genauso profitiert wie inländische. Die
Grünen unterstützen ähnliche Steuersenkungen, vorausgesetzt, das Auto wird
überwiegend in Europa hergestellt. SPD und Grüne sind auch der Ansicht, dass
eFuels vor allem in der Luftfahrt oder im Schifffahrtssektor und nicht auf der
Straße eingesetzt werden sollten. Sie zielen darauf ab, einen klimaneutralen
europäischen Luftverkehrssektor durch Regeln zur Verhinderung von "CO2-Leckagen"
(carbon leakage) zu etablieren, wobei die Grünen sogar darauf abzielen, dass
Inlandsflüge generell zukünftig nicht mehr notwendig sind. Die Konservativen und
die AfD verfolgen einen anderen Ansatz — sie glauben, dass der Markt entscheiden
sollte, welche Mobilitätsform vorherrschen wird. Ausgehend von dieser
Überzeugung ist es ihr Hauptziel, das Verbrennerverbot auf EU-Ebene zu kippen.
Stattdessen streben CDU/CSU und die AfD an, Autos mit Verbrennermotor — die
zukünftig wahrscheinlich mit eFuels betrieben werden — zu einer finanziell
wettbewerbsfähigen Alternative zu Elektrofahrzeugen zu machen. Sie glauben
nicht, dass es in der Verantwortung der Regierung liegt, diese Märkte in
irgendeiner Weise zu beeinflussen. Für die AfD schließt dies einen Förderstopp
für Ladeinfrastruktur aus öffentlichen Mitteln ein. Konservative und AfD sind
sich außerdem einig, dass die EU-Flottenemissionsgrenzwerte oder zumindest die
damit verbundenen Sanktionen abgeschafft werden sollten, um zusätzlichen Druck
auf die deutsche Automobilindustrie zu vermeiden. Der Vorsprung der CDU bei den
Umfragen — und der Erfolg der AfD — spiegelt die Prioritäten der deutschen
Wähler wider, die sich nach aktuellen Umfragen bei dieser Wahl am stärksten auf
die Einwanderung und den Zustand der Wirtschaft konzentrieren. Die Themen
Energie- und Klimapolitik haben hingegen deutlich an Wichtigkeit eingebüßt. Und
die Befragten sehen mit großem Abstand die größten wirtschaftspolitischen
Kompetenzen in den Reihen der CDU/CSU. Entsprechend wird vor allem der Ansatz
der Union, wie sich Deutschlands Umstieg von fossilen Brennstoffen auf
erneuerbare Energien mit der Wiederbelebung der wirtschaftlichen
Wettbewerbsfähigkeit verknüpfen lässt, das Tempo der Energiewende in Europas
größter Volkswirtschaft in den kommenden Jahren bestimmen. Von Johannes Guhlke
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